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Sechs europäische Wettbewerbsbehörden veröffentlichen eine gemeinsame Erklärung zum Stellenwert des Wettbewerbs im Telekommunikationssektor

Statement sechs nationaler Wettbewerbsbehörden zum Telekommunikationsmarkt

Wettbewerb ist ein Motor für Europa

Mit ihrem jüngsten „Wettbewerbsfähigkeitskompass“ hat die Europäische Kommission einen wichtigen Aktionsplan zur Umsetzung der in den Berichten Letta und Draghi vorgestellten Vision für Europa vorgelegt. Die wichtige Rolle des Wettbewerbs als Motor für Produktivität, Investitionen und Innovation wird dabei hervorgehoben. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ist ein wesentlicher Parameter für die europäische Wirtschaft. Die neue Europäische Kommission formuliert ehrgeizige Ziele für Wachstum, Resilienz und die technologische Souveränität Europas. Wettbewerb ist ein zentraler Faktor, damit diese Ziele gelingen.

Wettbewerb ist Grundvoraussetzung für Zukunftsfähigkeit

Wettbewerb ist kein Hindernis, sondern eine tragende Säule der europäischen Wirtschaftsordnung. Er ermöglicht Innovation, Investitionen, leistbare Preise und Auswahl für Verbraucherinnen und Verbraucher. Besonders im Telekommunikationssektor, dessen Liberalisierung Ende der 90er des letzten Jahrhunderts durch sektorspezifisches Recht und eigene Institutionen begonnen wurde, ist Voraussetzung für eine dynamische Entwicklung. Dennoch mehren sich in der politischen Debatte Stimmen, die den Wettbewerb als Wachstumsbremse darstellen. In dieser Sichtweise werden wettbewerbliche Regeln als vermeintlich hinderlich für Konsolidierung, Effizienzsteigerungen und die Bildung „europäischer Champions“ interpretiert.

Missinterpretationen rund um den Draghi-Bericht

Oft wird mit Beispielen aus der Telekommunikationsbranche argumentiert, dass strenge Wettbewerbsregeln die Branche zersplittert hätten und Investitionen sowie Innovationen bremsen. Doch gerade eine zu lockere Fusionskontrolle kann Verbraucherinnen und Verbrauchern schaden und Investitionen sowie Innovationen schwächen. Die Realität im Telekommarkt ist komplexer als es die Debatte um „mehr Konsolidierung“ vermuten lässt. Während Unternehmen durch neue digitale Dienste Umsatzanteile verloren haben, sind zugleich neue Geschäftsfelder entstanden. Die Grundvoraussetzung für beides ist eine leistungsfähige Infrastruktur. Diese entsteht nicht durch Größe allein, sondern insbesondere durch Wettbewerb und den damit verbundenen Investitionen und Innovationen. Dieser Standpunkt wird auch vom Fachbereich Telekommunikation und Post der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) vertreten.

Um dies zu verdeutlichen, veröffentlichen sechs europäische Wettbewerbsbehörden mittlerer EU-Volkswirtschaften (Belgien, Irland, Tschechien, Portugal, die Niederlande und Österreich) eine gemeinsame Erklärung zum Stellenwert des Wettbewerbs im Telekommunikationssektor.

Österreich als Beispiel für differenzierten und erfolgreichen Wettbewerbsvollzug

Der österreichische Wettbewerbsvollzug zeigt, dass mit einem differenzierten Ansatz qualitativ hochwertige Netze, faire Preise und ein funktionierender Wettbewerb möglich sind. Der intermodale Wettbewerb zwischen Mobil- und Festnetzdiensten funktioniert derzeit, wie Daten aus dem RTR-Internet-Monitor belegen. Dank einer vorausschauenden Regulierung konnte in vielen Bereichen sektorspezifische ex-ante Regulierung zurückgenommen und durch die ex-post Überprüfung des allgemeinen Wettbewerbsrechts und die Fusionskontrolle ersetzt werden – ohne die Marktöffnung zu gefährden. Die Weiterentwicklung eines europäischen Telekom-Binnenmarkts bleibt eine zentrale Herausforderung. Trotz gemeinsamen Rechtsrahmens bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten – bei Ausbauvorhaben, im Umgang mit Daten oder in Konsumentenschutzbestimmungen. Derartige Unterschiede – so gerechtfertigt sie im Einzelfall auch sein mögen – haben auch Auswirkungen auf die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Telekommunikation. Diese Märke sind in aller Regel nationale Märkte und müssen auch aus fusionskontrollrechtlicher Sicht dementsprechend geprüft und beurteilt werden, damit der Wettbewerb weiter besteht.

„Die oft getätigte Aussage in Europa gibt es 170 Telekom Anbieter und in den USA nur 3 ist schlicht falsch. Das Narrativ wird dennoch immer wieder gebracht. Was stimmt ist, dass der Wettbewerb in den USA insgesamt weniger intensiv ist und das spüren vor allem Konsumentinnen und Konsumenten. Wettbewerb ist essentiell für Qualität und Preis. Innerstaatliche Konsolidierung von drei auf zwei eliminiert empirisch nachweisbar Preis- und Qualitätswettbewerb. Das würde alle Regulierungserfolge der letzten 20 Jahre ad absurdum führen. Das kann nicht Ziel der EU sein. Der Draghi Report hat viele gute Ideen, der Telekomsektor ist aber offenbar nicht seine Stärke,“ erklärt Klaus Steinmaurer, Geschäftsführer der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH Telekomunikation und Post.

„Die BWB schaut insbesondere auch auf die KMUs, also die vielen hidden champions unserer österreichischen Wirtschaft. Wir dürften ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht durch einen laxen Vollzug gegenüber bereits marktmächtigen Unternehmen gefährden. Wettbewerbswidrige Fusionen bringen in der Regel keine breiten volkswirtschaftlichen Vorteile, die BWB prüft das mit. Mögliche Fusionen im Bereich Mobilfunk müssen daher sehr sorgfältig geprüft werden, sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene.“, erklärt Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde.

Die europäische Ordnungspolitik steht 2024/25 an einem entscheidenden Wendepunkt. Die Wettbewerbsbehörden setzen sich für die Förderung wettbewerbsfähiger Märkte im Interesse fairer Preise, Innovationen und Investitionen in allen Wirtschaftssektoren ein, insbesondere in Sektoren, die für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung sind, wie z. B. dem Telekommunikationssektor. Dies ist insbesondere auch im Interesse der vielen kleinen und mittleren Unternehmen in Österreich, sowie der Verbraucher und Verbraucherinnen.

Fazit: Wettbewerb ist kein Hemmschuh – er ist Europas Stärke

Europa steht an einem Scheideweg. Der Impuls zur industriepolitischen Neuausrichtung darf nicht dazu führen, Wettbewerb als störend abzutun. Gerade in strategisch wichtigen Sektoren wie der Telekommunikation braucht es eine differenzierte, faire und zukunftsgerichtete Ausrichtung. Wettbewerb ist kein Auslaufmodell – sondern das Fundament für nachhaltiges Wachstum, Innovation und Investitionsbereitschaft.

Frühere Untersuchungen der BWB und RTR im Mobilfunkmarkt

Die BWB und die RTR untersuchten im Jahr 2016, wie sich der Zusammenschluss Hutchison 3G Austria und Orange Austria auf den Mobilfunkmarkt ausgewirkt hat. Beide Behörden stellten 2016 fest, dass es bis Ende 2014 zu deutlichen Preissteigerungen kam. Laut BWB stiegen die Preise für bestehende Kundinnen und Kunden im Schnitt um 14–20 %.

Bei Prepaid-Tarifen waren die Erhöhungen sogar bei 20–30 %, bei Vertragstarifen (Postpaid) bei 13–17 %. Die RTR berechnete für neue Kundinnen und Kunden in den Jahren 2013 und 2014 Preissteigerungen von 50–90 % bei typischer Smartphone-Nutzung und von 22–31 % bei klassischer Nutzung ohne mobiles Internet.

2021 veranstalteten die BWB und die RTR eine gemeinsame Pressekonferenz zum Thema „Österreichischer Mobilfunkmarkt - ist der Wettbewerb in Gefahr?“ aufgrund des Auslaufens der Zugangsverpflichtung zugunsten von MVNOs (Mobilfunkanbieter ohne eigene Netzinfrastruktur) und einer öffentlich geführten Diskussion über Wert und Beitrag derselben.

Enge Kooperation und Zusammenarbeit zwischen der BWB und Fachbereich Telekommunikation und Post der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR)

Im Oktober 2023 haben die BWB und der Regulator eine Kooperationsvereinbarung für digitale Märkte unterzeichnet. Das Ziel der Vereinbarungen ist neben dem Ermöglichen eines vertieften Verständnisses auch die Stärkung von Regulierungsinstrumenten durch die Nutzung von Synergien. Dadurch können Herausforderungen des digitalen Zeitalters und damit verbundene, komplexe Fragestellungen effizienter bewältigt und beantwortet werden.

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